Ausflug am Streikwochenende zum Pariser Tram-Train (2/3) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Sonntag, 03.03.2024, 21:31 (vor 79 Tagen)

Im ersten Teil bin ich nach Paris angereist und mit Umweg über die Tram-Train-Linie 13 nach Saint-Germain-en-Laye gereist: https://www.ice-treff.de/index.php?id=695164
Nach Besichtigung des dortigen Schlosses fahre ich mit der RER-Linie A nach Paris zurück. Direkt vor dem Schloss geht es zur RER-Station runter. Kurz nach Fahrtbeginn fahren wir über die auf Bild 32 fotografierte Seinebrücke.

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Bis Nanterre bin ich hier auf der ältesten Bahnstrecke im Raum Paris und ältesten Strecke für Personenverkehr Frankreichs vom Bahnhof Saint-Lazare nach Saint-Germain-en-Laye unterwegs. Nostalgie versprüht sie aber kaum.
Ich fahre bis zu zentralen Pariser Nahverkehrsstation Châtelet - Les Halles. Hier in der Nähe habe ich auch ein Ziel. Die Tour Jean-Sans-Peur ist mit bei meinem letzten längeren Parisaufenthalt 2021 aufgefallen. Damals war er aber geschlossen.

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Dieser Turm ist der letzte Rest des prächtigen spätmittelalterlichen Stadtpalasts der Herzöge von Burgund. Der Namensgeber Herzog Johann Ohnefurcht ist in Frankreich eine umstrittene Figur, weil er als mächtigster französischer Fürst und Cousin des oft regierungsunfähigen Königs im 100jährigen Krieg mit den Engländern paktiert hat. Im Jahr 1407 wurde auf seinen Befehl hin sein mächtigster Gegenspieler, der Bruder des Königs Herzog Ludwig von Orléans ermordet. 12 Jahre später wurde Johann dann 1419 bei einem Treffen mit dem Thronfolger und Neffen des Ermordeten in dessen Anwesenheit aus Rache der Schädel gespalten. Dieser Thronfolger wurde dann 10 Jahre später durch die berühmte Jungfrau von Orléans zur Krönung nach Reims geführt und vertrieb in den folgenden Jahrzehnten seiner Herrschaft die Engländer endgültig aus Frankreich. Der Palast war früher deutlich größer und an die damals nicht mehr genutzte Stadtmauer aus dem 12. Jh. gebaut. Übrig ist nur noch dieser Treppenturm.
Besonders dekorativ ist der Abschluss des Treppenhauses. Die drei verschiedenen Blätter sollen Johann und seine beiden Eltern symbolisieren.

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Dann fahre ich von Châtelet – Les Halles mit dem RER B zum südlichen Seineufer bis Port-Royal. Der dekorative Pavillon zeigt, dass die Station älter als das RER-Konzept ist. Die Station wurde schon 1894 mit der Verlängerung der Ligne des Sceaux bis zum neuen unterirdischen Endbahnhhof Luxembourg eröffnet.

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Hier in der Nähe will ich mir die Val-de-Grace anschauen. Dieses Stift wurde von Anne d’Autriche, der Mutter Ludwigs XIV. für Beistand bei der Geburt eines Thronfolgers gebaut. Dieser Beistand war mehr als notwendig. Ihre Ehe blieb gut 20 Jahre kinderlos und erst als keiner mehr mit Nachwuchs rechnete und sie schon stark in Bedrängnis wegen ihrer Kinderlosigkeit stand, bekam sie doch noch den späteren Thronfolger. Im Dezember 1637. – die Eheleute hatten sich weitgehend auseinander gelebt – kam ihr Gatte Ludwig XIII auf dem Weg zu seinem Jagdschloss durch Paris und musste wegen schlechten Wetters im Louvre übernachten, wo auch zufälligerweise die Königin weilte. Da kein anderer Raum geheizt war musste er ausnahmsweise bei ihr im Bett übernachten. Neun Monate später kam der Thronfolger zur Welt. Jahrzehnte später starb Königin Anne dann auch hier in Ihrem Stift. Seit der Revolution befindet sich in dem Stift ein Militärhospital und ist aktuell nicht zu besichtigen.

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Sehr wohl zu beischtigen ist aber das kleine Museum im Institut Curie. Hier kann der Besucher das Büro Marie Curies und eines ihrer Labore sehen.

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Für mich als Chemieingenieur ist das Museum natürlich besonders spannend. Dieses originale Glasgerät aus den Laboren hat sich durch die Strahlung violett gefärbt
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Nach der Entdeckung des Radiums waren radiumhaltige Produkte bis zur Entdeckung ihrer Risiken sehr in Mode. Da Radium sehr selten und teuer war, war die Radiumkonzentration in den meisten Produkten jedoch so niedrig, dass keinen Schäden verursacht wurden. Diese Salbe wirbt mit der Formel von Dr. Alfred Curie. Moment, der Ehemann von Marie Curie hieß Pierre! Wer war dann dieser Alfred? Der Sohn, der Schwager, der Schwiegervater? Weder noch, Dr. Alfred Curie hatte keinerlei Verbindung zum Ehepaar Curie oder zu Radium und nur zufälligerweise den richtigen Nachnamen, um als Werbefigur zu dienen. Betrug in der Werbung gab es also schon vor über 100 Jahren

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Inzwischen ist es nach 17 Uhr und so langsam machen alle Museen zu. Spontan entscheide ich mich das restliche Tageslicht zu nutzen, um den kürzeren Südast des RER B nach Robinson zu befahren, was bis zum Sonnenuntergang gerade noch so funktionieren müsste.
Für eine Vorortlinie finde ich die Fahrt gar nicht so uninteressant. Bei der Fahrt durch die Hügel bietet sich der ein oder andere spannende Ausblick. Bei Arcueil Cachan wird ein beeindruckendes Aquädukt zur Wasserversorgung von Paris unterquert. Vor lauter Bebauung gelingt mir jedoch kein verwertbares Bild. Hier bin ich schon an der Endstation Robinson mit seiner dekorativen Überdachung am Hausbahnsteig.

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Auf der RER-Linie B, deren Südast wie der RER A wie die Metro von der Pariser RATP und nicht von der SNCF betrieben wird, wird mit den einstöckigen Zügen der Baureihe Z 8100 /MI 79. Mit dieser Einheit werde ich zum Gare du Nord zurückfahren.

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DIe Ligne des Sceaux, auf der ich hier unterwegs bin, wurde 1846 als erste und einzige Bahnstrecke im breitspurigen Arnoux-System eröffnet von Paris zum namensgebenden Vorort Sceaux eröffnet. 1891 wurde sie dann auf Normalspur umgespurt und 1977 mit der Verlängerung wurde sie zur RER-Linie B.
Wie die Endstation sind auch viele Unterwegshalte sehr ansprechend gestaltet, so auch dieser Schriftzug von Fontenay-aux-Roses.

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Nach der Ankunft am Gare du Nord, fahre ich noch mit der RER-Linie E zur ihrer Endstation Haussmann Saint-Lazare.

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Endstation wird diese nicht mehr lange bleiben. Noch in diesem Jahr soll die Verlängerung nach La Défense in Betrieb gehen. Beim Blick in die neue Röhre mag ich das gerne glauben. Diese sieht aus, also könnte jeden Moment ein Zug kommen.

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Danach checke ich schnell in mein Hostel zwischen Gare du Nord und Gare de l’Est ein und suche mir was zum Abendessen. Schließlich werde ich schwach und kehre im etwas besseren Terminus du Nord gegenüber der Gare du Nord ein und bestelle ein Vol- au-Vent, eine Blätterteigpastete, gefüllt mit Geflügel, Kalbsbries und Morchelsauce, äußerst delikat.

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Bei meinem Verdauungsspaziergang schaue ich auch nochmal an der Gare de l’Est vorbei und bin beim Blick auf die Abfahrtstafel ziemlich überrascht. Es ist halb 10 Uhr abends in einem der großen Bahnhöfe der Hauptstadt und der nächste Fernzug fährt erst um 7.36 Uhr am nächsten Morgen. Tagesrandverbindungen sind nicht das Ding der SNCF.

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Tag 2: Musée de Cluny, Pantheon, Chartres

Heute Vormittag liegen meine Ziele wieder südlich der Seine, wo ich gestern Nachmittag unterwegs war. Wer nur wegen der Bahn hier ist, kann direkt zu Bild 66 springen. Obwohl es nicht der schnellste Weg ist, nehme ich von der Gare de l’Est die Metrolinie 5, die die Seine beim Gare d’Austerlitz oberirdisch quert und dann einen Blick in die sich im Umbau befindende Bahnhofshalle von Austerlitz ermöglicht. Das ist mir den Umweg wert.

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Das Musée de Cluny ist das nationale Museum für die Kunst des Mittelalters und befindet sich im mächtigen Stadtpalais des bedeutenden burgundischen Klosters Cluny, einem der wenigen erhaltenen aus dieser Zeit in Paris.

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Der Palais wurde in die Reste der römischen Thermen gebaut. Im 19. Jh. wurden diese teilweise wieder freigelegt.

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Zu den Exponaten gehören unter anderem diese westgotischen Kirchenkronen aus dem Spanien des 7. Jh., …

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… 21 Köpfe der in der Französischen Revolution geköpften Königsstatuen an der Fassade von Notre-Dame, …
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… und der weltberühmte sechsteilige Wandteppichzyklus „Die Dame mit dem Einhorn“. Fünf davon symbolisieren je einen der Sinne, die Deutung des sechsten bleibt umstritten. Dieser zeigt das Sehen, symbolisiert durch den Spiegel, in dem sich das Einhorn spiegelt.

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Ich schwöre, ich habe mich extrem zusammengerissen, nur wenige Highlights zu zeigen. Da ich schon vor Mittag aus dem Museum raus bin, quetsche ich noch spontan einen Besuch im nahegelegenen Panthéon ein. Der stand eigentlich nicht auf meiner Wunschliste, aber für 13 € gesparten Eintritt, werde ich schwach.

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Kurz vor der Französischen Revolution als monumentale Klosterkirche gebaut, wurde er in der Revolution zu einer nationalen Ruhmeshalle. Hier lebt Frankreich in vollen Zügen einen Nationalstolz aus, der in Deutschland nach 1945 kaum vorstellbar ist. Mehrere Figurengruppen aus 1913 gedenken Schlüsselmomenten der Revolution wie der der Schacht von Valmy oder hier dem Nationalkonvent.

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Hier in der Kuppel bewies Léon Foucault 1851 mit dem nach ihm benannten Pendel die Erdrotation. Seit einigen Jahren pendelt ein solches wieder hier.

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Eine der größten nationalen Ehren nach dem Tod ist in Frankreich die Panthéonisation. Besonders verdiente Politiker, Résistancekämpfer aber auch zum Beispiel Wissenschaftler werden auf Vorschlag des Parlaments und nach Entscheidung des Präsidenten in einer feierlichen Zeremonie aus ihrem Grab in die Gruft des Pantheons überführt. Der Erste war 1791 Voltaire die bislang Letzte 2021 die Revuetänzerin und Résistance-Mitglied Josephine Baker. Passend zu meinem gestrigen Programm zeige ich stellvertretend die Sarkophage der Eheleute Curie. Da ihr Körper von ihrer Forschung immer noch verstrahlt ist, ist innerhalb des Steinsarkophags einer aus Blei.

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Danach reicht es mit dann von dem Nationalpathos und ich nehme meinen Nachmittagsausflug nach Chartres in Angriff. Dummerweise habe ich um wenige Augenblicke den Bus zur Gare Montparnasse und muss deshalb eine Stunde später nach Chartres fahren. Die Zeit, die mir bis dahin bleibt, nutze ich, um der Baustelle von Notre-Dame in der Nähe anzuschauen. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch Ende September (2023) hat sich einiges getan. Der damals noch nicht begonnene Dachstuhl ist schon sehr weit fortgeschritten.

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Sehr spannend finde ich die hölzernen Stützen unter den Strebepfeilern.

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Bis auf die Kräne hinter den Bäumen lassen sich die Brandschäden von der Westseite fast nicht erahnen.

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Dann nehme ich die Metrolinie 4 zur Gare Montparnasse.

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Hierunter versteckt sich tatsächlich ein Bahnhof.

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Mit einem TER fahre ich über auf Strecke Paris – Brest nach Chartres. Kurz nach Versailles-Chantiers passieren wir das Schloss Versailles, leider hinter drei Bäumen versteckt.

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Etwas später ist der Monumentalbau dann für eine ganze Weile besser zu sehen.

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Nach Versailles-Chantiers kommt als nächster Bahnhof Saint-Cyr-l’Ecole, wo die Tram-Train-Linie vom Vortag durch die neue Verbindungskurve zum Bahnhof hoch führt.

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Nach der Endstation der RER-Linie C Saint-Quentin-en-Yvelines folgen der große Rangierbahnhof und das Betriebswerk des RER C in Trappes.

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Auf der weiteren Fahrt durch die liebliche Hügellandschaft wechseln sich Felder, Wiesen und Wälder ab. Entlang der Strecke liegen weitere Schlösser, jedoch nicht aus dem Zug sichtbar. Schloss Rambouillet, von dem aus dem Zug nur der Teile des Parks zu sehen, wird von der französischen Regierung regelmäßig für Staatsempfänge benutzt.
Etwas später folgt Schloss Maintenon, das im Besitz der letzten Mätresse und heimliche zweite Ehefrau des Sonnenkönigs Madame de Maintenon war. Ich kann von unterwegs nur diesen kleine Ort mit Kirchturm bieten.

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Bevor ich in Chartres ankomme, mache ich einen Schnitt. Ohne die Bilder vom Bahnhof in Chartres wären es sonst im letzten Teil arg wenige Bilder mit Bahnbezug. Den Bahnhof und die Kathedrale von Chartres sowie noch einiges mehr, stelle ich euch dann im letzten Teil vor.

Ausflug am Streikwochenende zum Pariser Tram-Train (2/3)

JanZ, HB, Sonntag, 03.03.2024, 22:07 (vor 78 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

Vielen Dank für den interessanten Bericht! Zwei Kleinigkeiten: Bei Bild 43 scheint was mit der Syntax schiefgelaufen zu sein, und statt Bild 58 zeigst du ein zweites Mal Bild 59 :-).

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Im Volk, da ist sie sehr beliebt, unsere Eisenbahn,
Doch dort, wo's keine Schienen gibt, da hält sie selten an.

(EAV: Es fährt kein Zug)

Bilder 43 und 58

Bahne aus Leidenschaft, Montag, 04.03.2024, 09:04 (vor 78 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

JanZ hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass die Bilder 43 und 58 nicht korrekt dargestellt werden. Hier die Korrektur:

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Bilder 43 und 58

Administrator, Montag, 04.03.2024, 13:15 (vor 78 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

Wir haben die Links im ursprünglichen Beitrag korrigiert.


Das ICE-Treff-Team.

Vielen Dank! (o.w.t)

Bahne aus Leidenschaft, Dienstag, 05.03.2024, 22:07 (vor 76 Tagen) @ Administrator

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