Ausflug am Streikwochenende zum Pariser Tram-Train (1/3) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Mittwoch, 28.02.2024, 22:59 (vor 83 Tagen)
bearbeitet von Bahne aus Leidenschaft, Mittwoch, 28.02.2024, 23:01

Liebe Mitforisten,

ich habe meinen nächsten „kleinen“ Reisebereicht fertig, diesmal sogar noch relativ aktuell. Da im Februar mein 26 Geburtstag anstand und ich danach in Frankreich keinen freien Eintritt mehr in staatlichen Museen bekommen würde, war ich am letzten Januarwochenende nochmal schnell ein für drei Tage in Paris. Die Bahn stand dabei nicht im Fokus, aber ich habe natürlich doch einiges eingebaut. Die An- und Abreise erfolgte selbstverständlich mit der Bahn. Dazu kommen drei Ausflüge ins nähere und fernere Umland. Ich hoffe, ich werde euch zwischendrin nicht zu weit abschweifen.
Los sollte es samstagmorgens mit dem ersten TGV von Karlsruhe nach Paris gehen, zurück montagsabends mit dem letzten. Ob ich überhaupt fahren würde, stand wegen des GDL-Streiks noch lange zur Disposition. Nachdem meine Verbindung an den Vortagen schon immer gestrichen war, war am Donnerstag dann auch klar, dass mein TGV gestrichen würde. Seit Ankündigung des Streiks war ich dabei, Alternativen auszuknobeln. Für die Rückfahrt war die Lösung schnell gefunden. Für kleines Geld buchte ich ein Flixbusticket von Strasbourg nach Karlsruhe. Schwieriger war die Hinfahrt. Diese Optionen stellten sich mir:
a) Das Hostel bis Freitag kostenfrei stornieren und nicht fahren
b) Alternativverbindung nach Straßburg per Bahn
c) Der TER von Lauterbourg nach Strasbourg ab 6.37 Uhr
Auf a) hatte ich keine Lust, b) wäre schwierig geworden, bleibt also Möglichkeit c) Dafür war noch zu klären, wie ich samstagmorgens beim Bahnstreik nach Lauterbourg kommen sollte.
Eine Option wäre das Rad gewesen. Karlsruhe – Lauterbourg ist eine schöne Strecke mit dem Rad, die ich schon oft gefahren bin, aber morgens um 5 Uhr im Januar bei leichtem Nachtfrost und dann drei Tage das Rad in Lauterbourg stehen lassen muss nicht sein. Musste es auch zum Glück nicht. Mein neuer Bürokollege war zum Glück bereit mich nach Lauterbourg zu fahren. Bei der Uhrzeit hatte ich mich eigentlich fast nicht getraut, zu fragen. Also kann es jetzt tatsächlich losgehen!

Samstag: Lauterbourg, Paris, Saint-Germain-en-Laye, Ligne des Sceaux

Um Punkt 6 Uhr am Samstagmorgen stehe ich an der Straße und mein Kollege kommt tatsächlich vorbei. Über die Rheinbrücke ist erwartungsgemäß nichts los und so sind wir nach nur 20 Minuten in Lauterburg. Da reicht die Zeit noch für einen Besuch beim Bäcker. Ich hole mir Proviant und mein Kollege kauft Frühstück für sich und die Freundin. Ich zahle natürlich, was wohl das mindeste ist, dass ich für seine Heldentat tun kann.
Bei gespenstischer Stimmung kommen wir dann am Bahnhof an.

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Das Licht kommt noch lange nicht von der Sonne, sondern von den Laternen. Im Süden steht eine besonders große.

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Tote Hose am Bahnhof Lauterbourg. Mein Regiolis, der hier übernachtet hat, wartet schon auf Fahrgäste.

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Außer mitr kommen aber keine, ab Lauterbourg bin ich der einzige Fahrgast. Bis Strasbourg wird er sich aber ganz gut füllen.

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In Strasbourg habe ich eine Dreiviertelstunde Aufenthalt. In der warmen Lounge werde ich mich meinem Pistazien-Croissant widmen. Ja, Franzosen stehen auf Lebensmittelfarbe.

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Bis zur Abfahrt meines TGV kommt langsam die Sonne raus. Bei der Fahrscheinkontrolle am Bahnsteig ist der SNCF-Mitarbeiter leicht verwundert, ein DB-Ticket ab Karlsruhe zu sehen, aber Probleme gibt es natürlich keine. Erst kommt der Zugteil aus Freiburg, der als reiner SNCF-Zug nicht ausgefallen ist, danach wird mein Karlsruher Zugteil aus der Abstellung bereitgestellt und angekuppelt. Das bedeutet, ich muss ganz nach hinten.

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Wenn ich schon so weit vor muss, kann ich auch noch ganz vor gehen. Weiter ginge es dann nicht mehr auf legalem Wege.

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Da der Aufpreis gering war, fahre ich dieses Wochenende in der 1. Klasse. Kaum überraschend ist wenig los im Abteil.

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Nach wenigen Kilometern gibt der TGV Gas. Hier queren wir die Kanalbrücke bei Eckwersheim, auf der 2016 der Testzug verunglückt und in den Kanal gestürzt ist. Im Hintergrund sind schon die Vogesen zu erahnen.

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Die Fahrt durch das frostige, aber sonnige Elsass bei Sonnenaufgang macht richtig Freude. Ihr mögt es kaum glauben, aber nach über 6 Jahren in Karlsruhe ist das meine erste Fahrt bei Tageslicht über diesen Abschnitt der LGV. Bislang bin ich entweder aus der Pfalz mit dem TGV über Saarbrücken oder von Karlsruhe über komplett andere Strecken nach Frankreich gefahren. Erst im vergangenen Oktober bin ich hier lang gefahren, jedoch im Dunkeln (Reisebericht wird kommen). Bei dieser Fahrt kam mir dann auch die Idee, für diesen Ausflug.
Sechs Minuten später sind die Vogesen bei Saverne schon näher gerückt. Wenige Augenblicke später werden wir im Tunnel de Saverne unter die Berge durchqueren.

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Danach wird die Landschaft sanfter. Ab dem Abzweig Baudrecourt aus Richtung Saarbrücken kenne ich die LGV dann auch recht gut. Bei der Fahrt über die Mosel ist es zu neblig für ein Bild. Beim nächsten Bild keine Stunde später sind wir dann schon in der Champagne kurz vor Reims. Zum ersten Mal fällt mir heute die Windmühle von Verzenay auf, die auf der kleinen Bergkette Montagne de Reims steht.

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Pünktlich um 10.13 Uhr kommen wir in Paris Est an. Ich habe keine Zeit zu verlieren und fahre direkt mit der Metro zum Gare Saint-Lazare rüber.

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Saint-Lazare ist der einzige Pariser Kopfbahnhof, von dem ich bisher noch nicht abgefahren bin, was jetzt erledigt werden soll. Die Fernverkehrsziele von hier sind wenig diversifiziert. Nach Cherbourg scheint heute nichts zu fahren.

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Mein Zug fährt ganz am Rand des Bahnhofs los und so kann ich einmal quer über das Vorfeld schauen.

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Mein Zug ist der Transilien L nach Saint-Nom-la-Bretèche, der mit wird er mit einem der typischen Transilien Triebwägen der Baureihe Z50000 gefahren wird.

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Für mein heutiges Tagesziel gäbe es mit dem RER A eine schnellere und einfachere Verbindung. Die spare ich mir aber für den Rückweg, jetzt soll erstmal mein Tagesticket glühen.
Bis Saint-Cloud wird die ältere Bahnstrecke nach Versailles zum Bahnhof Rive Droite befahren. Dies ist die zweitälteste Bahnstrecke im Großraum Paris, die älteste werde ich im nächsten Teil befahren. Die Bezeichnungen Rive Droite und Rive Gauche (rechtes und linkes Ufer) fand ich in Versailles ohne Fluss etwas verwirrend, beziehen sie sich doch nicht auf Versailles selbst sondern auf die Lage der Pariser Ausgangsbahnhöfe Saint-Lazare und Montparnasse rechts bzw. links der Seine. Ebendiese Seine queren wir wenige Minuten nach Fahrtbeginn. Im Hintergrund ist schon die Skyline von La Défense gesehen, die etwas später unterqueren werden.

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Nach La Défense verläuft die Strecke tangential um Paris auf den Hügeln oberhalb des Seineufers durch einige der besseren Orte der Banlieue von Paris. Dabei bieten sich immer wieder tolle Aussichten auf die Metropole und den Eiffelturm. Meistens sind aber Bäume oder Häuser im weg und ausgerechnet auf der Brücke kurz vorm Halt Val d’Or, wo kein Hindernis stört, vertrödele ich es zu fotografieren. Ein besseres Bild kann ich deshalb nicht bieten:

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Nach Saint-Cloud verlässt mein Zug die Seine und die Strecke nach Versailles und fährt radial von Paris weg. Doch schon bald ist die Seine wegen ihres stark mäandrierenden Verlaufs wieder in der Nähe. Irgendwo dort unten fließt sie.

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Außer Versailles waren hier im Westen der Hauptstadt zahlreiche größere und kleiner Schlösser der Könige. Nicht alle sind jedoch erhalten. Vom Schloss Saint-Cloud, in dem 1589 der französische König Heinrich III. ermordet wurde, ist seit der Zerstörung im deutsch-französischen Krieg 1870 nur noch der Schlospark übrig, entlang dessen die Strecke die ersten Kilometer nach dem Abzweig in Saint-Cloud verläuft.
Einige Stationen weiter erblicke ich im Südwesten auf einem Hügel ein prächtiges mir unbekanntes Schloss. Dass Chateau Louis XIV stammt jedoch erst aus dem Jahr 2011. Das luxuriöse, man könnte auch sagen dekadente Anwesen, wurde 2015 für schlappe 300 Mio. $ vom umstrittenen saudischen Kronprinzen erworben.
Die drittletzte Station ist Marly-le-Roi. Auch hier ist vom Schloss Ludwigs XIV. nur noch der Schlosspark übrig. Eine Gruppe von Pferdestatuen aus dem Park steht heute in einem Hof des Louvre.
Nach gut einer Dreiviertelstunde bin ich dann an der Endstation mit dem sperrigen Namen Saint-Nom-la-Bretèche Foret de Marly. Hier trifft die Strecke aus Saint-Cloud auf die Grande Ceinture, die große Pariser Ring. Die Situation ist schwierig auf ein Bild zu bekommen. Links im Vordergrund außerhalb des Bildes sähe man meinen Transilien, im Hintergrund ist die Haltestelle am Ring zu erkennen.

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Vor Ort sieht diese so aus:

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2004 wurde die Grande Ceinture Ouest (CGO) nach 68 Jahren ohne Personenverkehr als Transilienlinie zwischen Saint-Germain Grande Ceinture und Noisy-le-Roi mit Umstieg hier in Richtung Paris reaktiviert. Der große Erfolg blieb jedoch aus, vermutlich auch wegen der Endbahnhöfe auf freier Strecke. Um das zu ändern, wurde die Strecke ab 2019 zu einer Tram-Train-Strecke umgebaut und an beiden Streckenenden mit Straßenbahnstrecken zu Stationen des RER-Netzes verlängert. Seit 2022 verkehrt hier nun die Tramlinie 13.

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Kurz nach dem Gegenzug kommt dann auch mein Zug Richtung Süden.

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Hier in Noisy-le-Roi war bis 2019 der südliche Endpunkt der CGO.

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Der Tram-Train verkehrt weiter auf der Grande Ceinture. Die Station Allée Royale liegt am hinteren Ende des Schlossparks von Versailles. Vom Schloss ist jedoch nichts zu sehen.

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Erst kurz vor der neuen Endstation wird die Grande Ceinture verlassen. Während diese nach Osten Richtung Versailles-Chantiers abbiegt, führt die neue Strecke in einer engen Rechtskurve steil ansteigend nach Westen zur neuen Endstation Saint-Cyr-l’Ecole. Die alte Strecke Richtung Versailles wurde aber zur Werkstattanbindung aber auch reaktiviert. Sowohl Kurvenradius als auch Steigung der neuen Kurve dürften für eine Bahnstrecke deutlich zu eng bzw. zu groß sein.

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Saint-Cyr hat zur Abwechslung mal kein Schloss sondern die von Napoleon gegründete Militärschule, die auch für den Namenszusatz „l’Ecole“ Pate steht. Gebaut wurde die Anlage noch von Ludwig XIV. als Stift für junge adlige Damen. Die Tram-Train-Linie endet hier an einer Haltestelle etwas versetzt vor dem Bahnhof. Hier kann zur RER-Linie C und den Transilien auf der Strecke Paris-Brest umgestiegen werden. Diese liegt auf dem Bild rechts oberhalb der Tramstation.

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Ich fahre aber mit dem Tram-Train zurück nach Norden. Saint-Germain Grande Ceinture, bis 2019 nördliche Endstation, wurde für den Tram-Train in Lisière Pereire umbenannt und so wie es aussieht wurde auch das Bahnhofsgebäude saniert. Dieses sieht aus wie aus dem Ei gepellt.

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Nach diesem Bahnhof zweigt die neue Strecke von der alten Bahnstrecke ab in führt in einem sehr eckigen Halbkreis, oder eher Halbrechteck, als Straßenbahn im Norden um Saint-Germain-en Laye herum. Mit der neuen Station Camp des Loges werden Sportplätze, darunter das Nachwuchsleistungszentrum des Scheichklubs Paris Saint-Germain (Igitt!), erschlossen.

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Kurz danach endet die Strecke am Rand des Schlossparks von Saint-Germain-en-Laye über der Endstation der RER-Linie A. Links wartet mein Tram-Train auf die Rückfahrt, rechts unten fährt ein RER-Zug in die Tunnelstation. Mit dieser Linie werde ich nachher auf direktem Weg nach Paris zurück fahren.

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Von hier ist schon das mächtige Schloss zu sehen. Inzwischen hat sich leider die Sonne verzogen.

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Erstmal gehe ich aber noch zur Aussichtsterrasse hoch über der Seine. Rechts im Hintergrund ist wieder die Skyline von La Défense zu sehen. Links unten fährt ein RER-Zug nach Saint-Germain über die Seinebrücke. Nachdem ich vorhin schon bis Saint-Cloud auf der zweitältesten Bahnstrecke im Raum Paris unterwegs war, bin ich nun bei der ältesten Strecke.

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Jetzt geht’s aber erstmal zum Schloss!

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Das Schloss steht noch auf dem unregelmäßigen Grundriss einer mittelalterlichen Burg mit Wassergraben und Innenhof. Vermutlich bedeutendster Moment in seiner Geschichte war die Geburt des Sonnenkönigs Ludwigs XIV., der vor der Fertigstellung von Versailles hier oft zu Gast war. Auf den Infotafeln in der Stadt wird er ausschließlich als „le Nôtre“ („der Unsere“) bezeichnet.

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Zum Schloss gehört auch eine gotische Schlosskapelle, die Sainte-Chapelle. Nach der „originalen“ Sainte-Chapelle des Palais de la Cité in der Pariser Innenstadt und der Sainte-Chapelle von Vincennes in einem früheren Reisebericht (https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10543316, https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10545213 ) ist das meine dritte im Raum Paris.

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Im Schloss ist heute das nationale archäologische Museum. Wegen Umbau ist eine große Abteilung geschlossen und generell freier Eintritt. Naja halb so schlimm, ich war sowieso eher wegen des Gebäudes hier. So sieht der Innenhof aus.

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Ab der Renaissance gab es noch ein neues Schloss an der Hangkante, ungefähr von wo ich vorhin Bild 32 aufgenommen habe. Von dort gingen terassierte Gärten bis zum Seineufer runter. Das neue Schloss ist jedoch noch vor der Französischen Revolution zur Ruine verfallen und schon lange abgerissen.

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Nach dem unerwartet schnellen Besuch des Museums fahre ich nach Paris zurück. Das und noch mehr könnt ihr dann im zweiten Teil lesen.

Super-Bericht. Danke.

Berliner65, Berlin, Donnerstag, 29.02.2024, 00:54 (vor 83 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

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Die 1. Klasse im SÜWEX gefällt mir. Aber warum ist die einzige Tür, die dorthin führt (und nicht in den 2. Klasse-Bereich) nicht deutlicher gekennzeichnet?

Danke auch von mir!! :)

HolyPetrus, Berlin, Donnerstag, 29.02.2024, 08:37 (vor 83 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

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Von mir auch merci beaucoup!

JanZ, HB, Donnerstag, 29.02.2024, 10:10 (vor 83 Tagen) @ Bahne aus Leidenschaft

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Im Volk, da ist sie sehr beliebt, unsere Eisenbahn,
Doch dort, wo's keine Schienen gibt, da hält sie selten an.

(EAV: Es fährt kein Zug)

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