Caimanos und die Settimana Santa auf Sizilien (1/5) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Dienstag, 19.03.2024, 22:47 (vor 63 Tagen)

Bevor der Reisebericht noch ein Fall komplett veraltet wird, möchte ich euch auf meine Reise nach Sizilien im April 2019 mitnehmen. Jetzt vor Ostern passt der Bericht zudem perfekt in die Saison. Nach der letzten Klausur blieb mir vor Ostern ein freies Zeitfenster von gut zwei Wochen übrig, das für einen Urlaub genutzt werden sollte. April ist doch die perfekte Jahreszeit für Sizilien und das Dienstende der Caimanos war absehbar. Ziel gefunden! Von Karlsruhe ist die Insel auch bequemst mit einem Umstieg erreichbar. Was will man mehr?
Da meine Freunde noch mit Klausuren beschäftigt waren, „musste“ ich ganz uncool bei Mama Fragen, ob sie Zeit hat. Da hat sie sehr gefreut, denn Sizilien stand bei uns beiden schon länger auf der Wunschliste.
Auf Sizilien werden wir folgende Runde fahren, rot und blau im Zug, grün im Mietwagen:

[image]

Tag 1: Karlsruhe - Mailand

Los geht es am wie bei meinen meisten Berichten morgens am Karlsruher Hauptbahnhof. Um kurz nach 9 Uhr fährt der ECE nach Mailand.

1
[image]

Meine Mutter sitzt schon seit Mannheim im Zug, der gut gefüllt ist. In den 4rer-Sitzgruppen der SBB wird es auf Dauer ziemlich eng. Wir kommen mit einem Mitreisenden in unserer Sitzgruppe ins Gespräch, der auch nach Palermo unterwegs ist, jedoch ab Palermo die Fähre nimmt. In Basel übergibt die DB den ECE pünktlichst an die SBB, die diesen brutal zum schnöden EC degradiert. Nach Olten kommen die Alpen in Sicht.

2
[image]

Auf dem inzwischen historischen Zuglauf über Luzern muss der EC im dortigen Kopfbahnhof kopfmachen. Dies macht jedoch technische Probleme und so sammeln wir fleißig Verspätung. Zum Glück haben wir in Mailand mehr als genug Puffer und so werden wir nicht nervös. Nur bei einem Komplettausfall könnte der Anschluss ein wenig eng werden. Zwischenzeitlich droht ein solcher jedoch. Im Unterschied zu Verzögerungen bei der DB merken wir hier dem Zugchef bei seinen Ansagen hörbar an, wie unangenehm ihm die ungewohnte Situation ist. Mit etwa +35 geht es dann aber zum Glück doch weiter.
Nach Arth-Goldau wird es winterlicher.

3
[image]

Besonderes Highlight ist die Fahrt am winterlichen Vierwaldstätter See.

4
[image]

5
[image]

Kurz danach geht es durch den Gotthard-Basistunnel. Die lange Fahrt durch einen Tunnel ist schon ziemlich beeindruckend, aber auf der Bergstrecke sähe man sicher mehr. Zur Nordrampe habe ich es inzwischen geschafft, wie ihr in meinem ersten Bericht hier im Forum lesen konntet. Naja, immerhin ist genug Zeit, in Ruhe aufs WC zu gehen, ohne etwas zu verpassen.
Auf der anderen Seite des Tunnels ist es vorbei mit Winterwunderland und blauem Himmel. Hier überqueren wir den Luganer See.

6
[image]

Etwas später ist es dann amtlich: Nach pünktlichem Eintritt in die Schweiz, verlassen wir sei mit +35. Das muss ich mir rot im Kalender markieren. Mit dieser Verspätung kommen wir auch in Milano Centrale an.

7
[image]

Dort bewundere ich erstmal ausgiebige die italienischen Rennzüge. Design können die italienischen Bahnen. Sowohl die Farbgebung der Freccie als auch der Italos finde ich sehr gelungen.

8
[image]

Milano Centrale ist mit seinen Dimnensionen wirklich beeindruckend.

9
[image]

Auch die historische Straßenbahn im Planbetrieb schauen wir uns vor dem Bahnhof an. Zu einer Mitfahrt werde ich es aber erst im Januar 2022 schaffen ([Link]).

10
[image]

Für einen Abstecher in die Innenstadt wäre noch Zeit, aber Mailand kennen wir schon und so sparen wir uns den Weg und verbringen die Zeit lieber in Bahnhofsnähe. Nach dem Abendessen, versorgen wir uns in einem Supermarkt für die lange Nachtzugfahrt ohne Bordgastronomie und dann kehren wir gemütlich in Bahnhofsnähe auf einen Absacker ein.
Dann begeben wir uns langsam in den Bahnhof zurück. Dieser Nachtzug nach Lecce ist nicht unserer, auch wenn ich die Tartaruga als Bespannung sehr interessant gefunden hätte.

11
[image]

Unser Zug ist dieser hier. In über 20 Stunden soll er uns nach Palermo bringen.

12
[image]

Wir haben im 4er-Liegeabteil gebucht. Gegen 45 € pro Kopf für so eine lange Strecke im Liegewagen kann man nichts sagen. Im Nachhinein frage ich mich aber, warum ich nicht Schlafwagen gebucht habe, wenn Mutter mitfährt und zahlt.

13
[image]

Bis Genua haben wir unser Abteil für uns. Leider bekommen wir dort und in La Spezia noch zwei Mitreisende, aber wir hätten es mit ihnen schlechter treffen können.

Tag 2: (Mailand - ) Palermo

Als ich am nächsten Morgen kurz vor 8 Uhr aufwache, sind wir schon an Salerno vorbei und wir kommen schon bald an die Küste. Das Wetter ist leider nicht so besonders. Bei der Rückfahrt wird es besser sein.

14
[image]

Nach 10 Uhr kommt am Horizont Sizilien in Sicht.

15
[image]

Zügig rauschen wir die kalabrische Küste runter und gut 3 Stunden nach dem ersten Blick aufs Meer erreichen wir Villa San Giovanni, wo erstmal eine längere Pause ist.

16
[image]

Sizilien ist nicht mehr weit. Rechts im Hintergrund wartet unsere Fähre. Da wollen wir drauf.

18
[image]

Bis wir dann endlich auf die Fähre fahren, dauert es fast eine Stunde. Da Zug passt nicht in voller Länge auf die Fähre und muss auseinander rangiert werden. Länger als das Rangieren dauert aber das Warten am Bahnsteig.
Im Vergleich zu dem zügig durchorganisierten Fährtrajekt auf der Vogelfluglinie nach Kopenhagen ohne lange Wartezeit und Rangieren, das wir wenige Wochen vorher im Februar bereist haben, ist die Organisation hier ein sehr süditalienisches Kontrastprogramm. Zusammen mit der Aufenthaltszeit in Messina ließe sich hier bestimmt eine Stunde rausholen. Bei Distanz der Überfahrt dauerte das Trajekt von Puttgarden nach Dänemark spürbar kürzer. Wir sind ja im Urlaub und haben Zeit, aber als regelmäßigen Nutzer würde mich die Bummelei vor und nach der Fähre nerven.
Um Viertel vor 12 ist dann aber die Verladung erfolgreich gemeistert und ich kann unseren Zug auf der Fähre fotografieren.

19
[image]

20
[image]

Auf der Fähre können bekommen wir endlich was zu essen. Es gibt die sizilianische Spezialität Arancini. Wir waren zwar mit Proviant versorgt, aber ein warmes Arancino schmeckt dann doch besser.
Da die Straße von Messina gar nicht so breit ist, müssen wir bald schon wieder unter Deck in unseren Wagen.

21
[image]

Fast eine Stunde später entsteht dieses Bild. Seit der Ankunft in Villa San Giovanni sind fast 2,5 Stunden vergangen Unser Zugteil nach Palermo steht am Bahnsteig in Messina und ist mit einem Caimano bespannt. Der Lack hat vermutlich auch mal bessere Zeiten gesehen.

22
[image]

An der Nordküste entlang fährt unser Zug nach Palermo. In der Ferne sehen wir die liparischen Inseln.

23
[image]

Etwa eine dreiviertel Stunde vor Ankunft halten wir in Cefalù mit seiner mächtigen Kathedrale und dem Felsen. Hier werden wir in drei Tagen nochmal hinkommen.

24
[image]

Kurz vor Palermo kommt tatsächlich die Sonne raus.

25
[image]

Über eine Viertelstunde vor Plan kommen wir in Palermo an.

26
[image]

Hier werden wir ganze fünf Nächte bleiben. Den restlichen Nachmittag und Abend nutzen wir nach dem Check-In für eine erste Runde durch die Stadt.

Tag 3: Palermo

Heute wird ein komplett bahnfreier Tag und wir folgen in Palermo und Umgebung den Spuren der Normannen. Nachdem sie ab 1017 als Söldner auf dem süditalienischen Festland für oder gegen Byzanz aktiv waren und eigene Herrschaftsgebiete gegründet hatten, eroberten sie ab 1061 Sizilien von den Arabern und richteten eine gegenüber Muslimen und Griechen vergleichsweise tolerante Herrschaft ein. Die einzigartige Mischung aus westlich-katholischer, griechisch-orthodoxer und arabischer Kunst sieht man den erhaltenen Bauten, überwiegend Kirchen, an.
Als erstes erreichen wir die beiden kleineren Kirchen San Cataldo und Santa Maria dell’Ammiraglio, die direkt nebeneinander liegen. San Cataldo ist vor allem von außen mit seinen kleinen roten Kuppeln interessant und wirkt auf mich recht muslimisch.

27
[image]

Santa Maria dell’Ammiraglio weckt dagegen stärker von innen unser Interesse. Das Goldmosaik ist für die normannischen Kirchen charakteristisch und wird uns im Verlauf des Tages noch öfter begegnen.

28
[image]

Nur wenige Minuten weiter wartet die Kathedrale auf unseren Besuch.

29
[image]

Im Inneren stehen die vier monumentalen Porphyrsarkophage für König Roger II. von Sizilien, dessen Tochter Königin Konstanze, sowie deren Mann Kaiser Heinrich VI. und Sohn Kaiser Friedrich II. Mit der Ehe Konstanzes mit dem Stauferkaiser Heinrich VI. und dem kinderlosen Tod ihres Neffen König Wihelm II. 1189 kamen die schwäbischen Staufer ins Spiel. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs der junge Friedrich II. in Palermo auf und kam erst spät in die Heimat seines Vaters nördlich der Alpen. Auch nachdem er König und später Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wurde blieb das Königreich Sizilien sein bevorzugter Aufenthaltsort. Direkt nach seinem Tod begann das Stauferreich dann aber am Konflikt mit dem Papst zu zerfallen.
Vor dem Sarkophag Friedrichs II. liegen ein Blumenstrauß und eine Trauerschleife von den Stauferfreunden Waiblingen. Spannend, dass die Gruppe das Gedenken über eine so große Distanz und für so eine lang vergangene Zeit aufrecht erhalten.

30
[image]

Im Grab der ersten Ehefrau Friedrichs II. Konstanze von Aragon wurde eine Krone in byzantinischem Stil, ein sogenanntes Kamelaukion, gefunden. Dieses ist die weltweit einzig erhaltene Haube dieser Art.

31
[image]

Vom Dach der Kathedrale haben wir eine schöne Sicht über die Stadt, das Meer und die umliegenden Berge.

32
[image]

Unweit der Kathedrale liegt der Normannenpalast. Der weitläufige Komplex wurde über die Jahrhunderte oft umgebaut und hat deshalb sein Äußeres aus der Zeit als Residenz der Normannen- und Stauferkönige weitgehend verloren. Heute tagt hier unter anderem das Parlament der Region Sizilien.
Die Hauptattraktion im Palast ist die prunkvolle normannische Pfalzkapelle mit fast kompletter Mosaikverzierung. Hier werden Szenen des Alten Testaments ab der Schöpfungsgeschichte dargestellt.

33
[image]

Der Blick in die Vierungskuppel ist sehr beeindruckend.

34
[image]

Ein anderer gut erhaltener Raum ist mit weltlichen Tier- und Jagdszenen ohne religiösen Bezug verziert.

35
[image]

Nach der Besichtigung ist es Zeit für eine kleine Mittagspause. In der Nähe des Palastes verkauft eine Focacceria die Imbissspezialität Palermos, das Pane con la Milza oder auf sizilianisch Pani câ Meusa: ein Brötchen mit fein geschnittener Kalbmilz und -lunge mit einem Spritzer Zitrone und Reibekäse. Jüdische Metzger sollen im Mittelalter das Gericht erfunden haben. Ich bin begeistert!

36
[image]

Ich traue es mich kaum, zu schreiben, aber das wird mein erstes und letztes Essensbild dieser Berichtreihe bleiben. Und das in Italien!
Eigentlich ist das geplante Programm für heute absolviert, aber der Nachmittag ist noch jung und die Bushaltestelle der Linie nach Monreale direkt beim Normannenpalast. Also beschließen wir auch noch Monreale zu besuchen. Der Vorort liegt viele Höhenmeter über Palermo und war eine Sommerresidenz der Normannenkönige.
Von 1900 bis 1946 fuhr eine Straßenbahn aus Palermo nach Monreale hoch. Zudem liegt die Stadt an der in der Zwischenkriegszeit begonnenen aber nie vollendeten Schmalspurbahn von Palermo nach Salaparuta. Heute kommt man nur noch mit dem Bus nach Monreale.
Die unvollendete Bahntrasse ist noch an einigen Stellen zu erkennen. Auch das Bahnhofsgebäude steht noch. Bei unserem Besuch wusste ich das aber noch nicht, deshalb kann ich leider keine Bilder davon bieten, dafür von der Kathedrale. Die Normannenkönige errichteten einen Komplex aus Palast, Kathedrale und Kloster. Erhalten sind Kathedrale und Kreuzgang.

37
[image]

Das Bildprogramm der Mosaike in der Kathedrale ist auch sehr beeindruckend aber ein wenig redundant zur Pfalzkapelle in Palermo. Wieder gibt es auf der linken Langhausseite die Schöpfungsgeschichte und andere Szenen des Alten Testaments.

38
[image]

In der Apsis thront auch hier ein Christus Pantokrator.

39
[image]

Von hier oben haben wir eine tolle Aussicht über die Bucht von Palermo.

40
[image]

Dann fahren wir wieder mit dem Bus runter nach Palermo. In der Altstadt treffen wir durch Zufall auf unseren Mitreisenden aus dem ECE, der mit der von Genua mit der Fähre nach Palermo gefahren ist. Die Welt ist ein Dorf.
Was wir in den kommenden zehn Tagen noch auf Palermo unternehmen, könnt ihr dann in den weiteren Teilen lesen. Im nächsten werden wir zwei Tagesausflüge um Palermo unternehmen und die Inselhauptstadt dann Richtung Ostküste verlassen.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum