Ausflug am Streikwochenende zum Pariser Tram-Train (3/3) (Reiseberichte)

Bahne aus Leidenschaft, Donnerstag, 07.03.2024, 22:29 (vor 75 Tagen)

In den ersten beiden Teilen war ich in und um Paris unterwegs. „um Paris“ beinhaltet in meiner Definition auch noch das 90 km entfernte Chartres. Der zweite Teil meines Berichts hat vor Erreichen des Bahnhofs Chartres geendet: https://www.ice-treff.de/index.php?id=695381
Dort geht es nun weiter. Nach meinem Ausflug von Lyon nach Bourges (https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?030,10552491 ) war die Kathedrale von Chartres bis zu diesem Tag die letzte der großen gotischen Kathedralen Frankreichs, die ich noch nicht besichtigt hatte. Bei meinem letzten Frankreichurlaub im Oktober (2023) habe ich sie aus dem TGV von Nantes nach Lille von der LGV Atlantique aus 18 km Entfernung am Horizont gesehen und große Lust bekommen, sie in naher Zukunft zu besuchen. Das will ich nun in die Tat umsetzten. Da die Altstrecke aus Richtung Paris durch ein Tal verläuft, ist die Kathedrale aus dieser Richtung im Gegensatz zur LGV jedoch erst kurz vor Ankunft zu sehen. Beeindruckend ist sie trotzdem, wie sie das Stadtbild dominiert.

73
[image]

Der Coradia Duplex der Region Centre Val-de-Loire hat mich hierher gebracht. Im Hintergrund hält am Hausbahnsteig gerade ein Ouigo Train Classique. Im Hintergrund ist nochmal in Übergröße zu lösen, wo ich gerade angekommen bin.

74
[image]

Hinter der Lok ist ein Corailwagen in Carmillon-Lackierung eingereiht. Wenn ich recht gelesen habe, steht an ihm „Intercités Le Cevenol“. Gab es dort noch Fernverkehr nach Einführung der Carmillon-Farbgebung? 2021 während meiner Zeit in Lyon war ich auch dort unterwegs (Link).

75
[image]

Von der Unterführung gibt es den Bahnhof mit Kathedrale. Der Omneo-Triebwagen im Vordergrund wird gleich nach Paris abfahren, dahinter versteckt sich mein Zug.

76
[image]

So sieht der Bahnhof von vorne aus. Bis jetzt war ich hier nur einmal auf dem Rückweg von Bordeaux. Wegen Verspätung des TGV hatten wir es damals aber ziemlich eilig in den verbleibenden 50 Minuten zur Gare de l’Est gekommen. Diesmal habe ich mehr Zeit. Viel verpasst, haben wir damals aber nicht. Von allen Pariser Kopfbahnhöfen finde ich ihn am wenigsten reizvoll.

77
[image]

Jetzt muss aber echt auch der Letzte mitbekommen haben, wo ich gerade unterwegs bin. Große Schriftzüge des Stadtnamens scheinen hier beliebt zu sein.

78
[image]

Mit ihren ungleichen Türmen finde ich die Kathedrale im Vergleich zu anderen ein wenig unharmonisch. Aus der Nähe hat sie aber sehr wohl ihre Reize. An ihr lässt sich der Übergang von der Früh- zur Hochgotik verfolgen. Die Figuren des älteren Hauptportals im Westen wirken noch statisch und unnatürlich lang und schlank.

79
[image]

An den jüngeren Seitenportalen im Norden und Süden sind die Figuren dagegen mit natürlicheren Proportionen und lebhafterem Ausdruck gestaltet.

80
[image]

Besonders bedeutend sind die Buntglasfenster, von denen nirgendwo in Frankreich eine so große Fläche aus dem Mittelalter erhalten geblieben ist, und für die hier eigens eine eigene Farbe, das Chartres-Blau, erfunden wurde. Dieses Blau ist sehr dominant und wirkt sehr prächtig. Mit meinen mäßig gelungenen Bildern verschone ich euch aber.
Seit dem 9. Jh. ist Chartres im Besitz der angeblichen Tunika der hl. Jungfrau Maria und konnte sich als bedeutender Wallfahrtort eine solch große Kathedrale leisten. Für die etwas schleppend vorankommende Dissertation meines Bürokollegen stelle ich eine Kerze auf. Ob der Beistand der Muttergottes hilft, sei mal dahingestellt, aber schaden kann es nicht.

81
[image]

Da die Stadt sehr fußläufig ist und die Kathedrale keine 10 Gehminuten vom Bahnhof entfernt liegt, bin ich schon nach gut 1,5 Stunden fertig und kann schon einen Zug früher als geplant noch bei Tageslicht zurücknehmen. Dieser ist wieder ein Coradia Duplex, diesmal in Doppeltraktion, und kommt am Sonntagabend schon enorm gut gefüllt aus Richtung Le Mans an. Ich bekomme zum Glück sogar noch einen Fensterplatz, an der späteren Stationen passen aber nicht mehr alle Fahrgäste in den Zug. Dort fährt dann aber auch schon alternativ der langsamere Transilien nach Paris. Bei der Fahrt bietet sich ein schönes Abendrot.

82
[image]

Nach der Ankunft in Montparnasse statte ich für Ver- und Entsorgung von Flüssigkeiten dem Salon à Grands Voyageurs einen Besuch ab. Damit habe ich nun auch alle Salons der SNCF besucht. So wichtig wäre mir das nicht, aber eine kurze Pause im Warmen nehme ich hier gerne mit. Als Nebeneffekt kann ich in dem kleinen Wettbewerb, den ich mit zwei Freunden um die besuchten Lounges betreibe, eine neue abhaken.
Von hier oben kann ich das geschäftige Treiben der an- und ankommenden TGV-Fahrgäste beobachten. Jedes Mal, wenn ein Abfahrtsgleis bekannt gegeben wird, teilweise erstaunlich knapp vor Abfahrt, drängt eine Walze von Fahrgästen zum Bahnsteig. Hier ist gerade einer am vordersten Bahnsteig angekommen.

83
[image]

Inzwischen ist es kurz nach 18 Uhr, die Sonne ist untergegangen, die Museen geschlossen. Für das Abendessen ist es mir noch ein bisschen zu früh. Was nun?
Mit der Metrolinie 6, die auf diesem Abschnitt überwiegend oberirdisch verläuft, fahre ich zum Trocadero.

84
[image]

Von hier bietet sich die vermutlich beste Aussicht auf den Eiffelturm am gegenüberliegenden Seineufer. Der sieht auch im Dunkeln schön aus, wenn nicht sogar schöner.

85
[image]

Danach wird es dann aber diesmal Zeit für Abendessen. Diesmal bin ich deutlich günstiger unterwegs und wechsle den Bahnhof. Schon bei meinem Verdauungsspaziergang am Vorabend habe ich an der Gare de l’Est mir die Brasserie Bouillon Chartier ausgeguckt. Hier gibt es für eine erstaunlich moderaten Preis deftige Spezialtäten. Als Hauptgang wähle ich in nostalgischer Erinnerung an Lyon den Kalbskopf - Tête de Veau.

86
[image]

Und zum Dessert einen Baba au Rhum. Ein Geheimtipp ist das Lokal nicht, es ist mächtig was los.

87
[image]

Auf dem Heimweg schaue ich wieder kurz in den Bahnhof rein. Dort fahren nach 21 Uhr gerade die letzten TGV Richtung Osten ab. Als erstes fährt der TGV nach Nancy und ich kann ein sehr französisches Schauspiel beobachten. Zwei Minuten vor Abfahrt wird wie üblich der Einlass zum Bahnsteig beendet. Dann kommt eine kleine Gruppe angerannt hofft, noch reinzudürfen. Die Zugtüren, Reisende laufen auf dem Bahnsteig nach hinten zu ihrem Wagen. Trotzdem hilft alles bitten und diskutieren der Gruppe nichts. Sie müssen draußen bleiben. Die Türen schließen, der TGV fährt ab. Bei der letzten Verbindung des Tages finde ich diese Handhabung äußerst unflexibel und kundenunfreundlich. Wenn die Verspätung der Gruppe durch die SNCF verursacht wurde, hat sich diese außerdem leicht vermeidbare Kosten für Fahrgastrechte-Entschädigung und Hotelkosten eingehandelt. Die SNCF und ich werden wohl keine Freunde mehr. Da lobe ich mir bei allen Unzulänglichkeiten die DB. Dort hätte mangels Bahnsteigsperren die Situation so gar nicht stattfinden können.
Das soll es für heute gewesen sein. Morgen folgt zum Abschluss ein bis auf die Heimfahrt bahnfreier Museumstag.

Tag 3: Louvre, Heimfahrt

Der heutige Tag steht ganz im Zeichen des Louvre. Abgesehen von einem abendlichen Kürzestbesuch kurz vor Feuerabend mit zwei Schulfreunden bei einer Exkursion unseres Französischkurs in der 11. Klasse, war ich hier noch nie „richtig“ drin. Damals im Januar 2015 wenige Wochen nach dem Bataclan-Anschlag war eine eigenartige, bedrückende Stimmung in der Stadt mit vielen Sicherheitsbeamten in der ganzen Stadt.
Diesmal ist die Atmosphäre in der Stadt zum Glück wieder alltäglicher. Nachdem ich gestern Morgen abgewiesen wurde, versuche ich heute nochmal mein Glück bei der Eurostarlounge beim Gare du Nord. Diesmal mit Erfolg. Jetzt habe ich wirklich alle Bahnlounges auf französischem Boden besucht.
88
[image]

Da ich schon früh unterwegs bin und es am heutigen Werktag kein so günstiges Tagesticket für den ÖPNV gibt, wie am Wochende, nutze ich die verbleibende Zeit bis zur Öffnung des Louvre um 9 Uhr und gehe die gut 3 km zu Fuß. Kurz vorm Ziel komme ich an der Pace des Victoires mit dem Reiterstandbild des Sonnenkönigs im Sonnenaufgang vorbei.

89
[image]


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum