DB, EBA und DTVG zum Fahrgastrecht "Später Fahren" (Allgemeines Forum)
Ich hatte vor ein Paar Monaten seit längerem mal wieder eine Situation, in der ich eine Reise aufgrund einer größeren Verspätung verschieben musste. Das bot gleichzeitig Gelegenheit den Sachstand bzgl. des Rechts auf spätere Weiterfahrt, zu dem bekanntermaßen unterschiedliche Auslegungen kursieren, aufzufrischen.
Das Ticket war ein Super Sparpreis und der ICE ist am Abfahrtsbahnhof ausgefallen, sodass an diesem Vormittag in der Folge direkt 60min. Verspätung zu erwarten waren.
Hier sollte die Fahrt dann auf den nächsten Morgen verlegt werden. Da ich eh gerade am Bahnhof war, bin ich ins Reisezentrum, um mir den Ausfall und die verlängerte Gültigkeit auf dem Ticket bescheinigen zu lassen.
Wie erwartet hat die Reisezentrumsdame das dann abgelehnt mit der Begründung, dass sie die Gültigkeit der Fahrkarte nur dann verlängern könne, wenn sich das Ziel bis zum Ende der Gültigkeit der Fahrkarte gar nicht mehr erreichen lässt. Ich soll das Ticket beim Servicecenter Fahrgastrechte zur Erstattung einreichen und mir für morgen ein neues kaufen.
Daraufhin hatte ich mich beim Kundendialog Fernverkehr schriftlich über den Besuch im Reisezentrum beschwert.
In der Antwort hatte man sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und erklärt, dass man ab 20min. Verspätung die Möglichkeit hätte, bei nächster Gelegenheit oder später zu fahren.
Erst bei der zweiten Rückfrage, was später sei und ob die Fahrt auch über Weihnachten noch nachgeholt werden könne, wollte man sich dann festlegen, dass hier nicht die Kulanzregelungen für Streik oder Unwetter anwendbar seien und die Reise in so einem Fall "zeitnah angetreten" werden müsse und nicht erst Wochen oder Monate später.
Klares "Nein" also.
Mit der schriftlichen Antwort habe ich mich dann beim EBA beschwert, weil die DB Fernverkehr AG mit ihrer Auskunft über die Fahrgastrechte (möglicherweise) gegen Art. 18 Abs. 1 lit. c VO (EG) 2021/782 verstößt.
Das EBA teilte daraufhin mit, dass sie keinen Verstoß gegen die EU-Verordnung feststellen könnten:
(...)
Fahrgastrechte nach der Verordnung (EU) 2021/782 sind vorliegend nicht verletzt worden. Gerne gebe ich lhnen hierzu folgende Hinweise:
Die DB Fernverkehr AG führt zutreffend aus, dass gemäß Artikel 18 Absatz 1 lit. c) "zeitnah angetreten werden sollte".
Zwar heißt es in Art. 18 Absatz 1 Buchstabe c, dass die Fortsetzung der Fahrt zu "einem späteren Zeitpunkt" möglich ist, ohne dass dieser Zeitpunkt ausdrücklich näher eingegrenzt wird. Aus dem Zusammenhang mit Buchstabe b ("bei nächster Gelegenheit") lässt sich jedoch schließen, dass auch die Ermöglichung des "späteren Zeitpunkts" in Buchstabe c in erster Linie dem Ziel dienen soll, den Fahrgast mit einer möglichst kurzen Verspätung an seinen Zielort zu befördern.
(...)
Es scheint demzufolge bereits eine kundenfreundlichere Regelung der DB zu sein, dass man sich innerhalb der Gültigkeitsdauer des Tickets ohne Zugbindung frei bewegen kann.
Eigentlich könnte man nach Logik des EBA ja nur dann eine spätere Fahrt als im ursprünglich gewählte Zug verlangen, wenn sich dadurch die Ankunftszeit am Zielbahnhof reduzieren lässt.
Unterdessen habe ich noch bei der DTVG angefragt. Die legen das anders aus als DB und EBA und schreiben, dass der spätere Zeitpunkt nicht genau definiert wird und daher Art. 60 CIV heranzuziehen ist, nach dem Ansprüche aus Beförderungsverträgen ein Jahr nach der Geltungsdauer der Fahrkarte verjähren.
Im Falle einer Kontrolle soll man auf das anspruchsbegründende Ereignis (die Verbindung, auf der eine 60min. Ankunftsverspätung zu erwarten war) hinweisen.
Das deckt sich auch mit der Einschätzung des Herrn Dr. Böse:
Nach Art. 18 Abs. 1 lit. c) der VO 2021/782/EU haben Sie bei einer mehr als 60-minütigen Ankunftsverspätung das Recht zur Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Wahl des Fahrgasts. Dieser Zeitpunkt kann vollkommen frei vom Fahrgast gewählt werden, er kann Tage oder auch Wochen später liegen, lediglich die Grenze der Verjährung von einem Jahr nach Art. 60 Abs. 2 der FahrgastrechteVO begrenzt diese Möglichkeit.
https://www.drboese.de/blog/bahnstreik-ihre-fahrgastrechte-die-die-bahn-ihnen-vorenthaelt/
Es bleibt also nicht ganz unproblematisch mit Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. c mit dem Ticket einfach irgendwann später zu fahren, weil man, wenn man zuerst im Zug und später dann bei der Nacherhebungsstelle bzw. im Reisezentrum an die falschen Mitarbeiter gerät, was nicht unwahrscheinlich ist, vom EBA keine Hilfe bei der Durchsetzung der eigenen Rechte erwarten kann.
Die Auslegung des EBA dürfte auch eine Rolle dabei spielen, dass viele Beförderer, respektive die DB die Fahrgastrechte in diesem Punkt nicht so umsetzen, wie das einige gern hätten.