Der Mittwochsbahnhof, Teil 24, Abschnitt 1 (Reiseberichte)
Moin,
ein herzliches Willkommen zum Mittwochsbahnhof. Heute steht ein Bahnhof auf dem Programm, der für den aktuellen Betrieb ein klein wenig überdimensioniert ist. Und wenn wir schonmal da sind, schauen wir auch gleich in die Stadt. Denn wer weiß, ob man wieder mal hinkommt. Holzminden liegt nämlich ziemlich im Abseits. Gut, man ist schnell in Nordrhein-Westfalen, aber was will man denn da?
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Holzminden mit seinen etwa 21.000 Einwohnern ist die Hauptstadt des elftkleinsten Landkreises Deutschland. In Niedersachsen reicht es in dieser Kategorie sogar für den dritten Platz (beides laut Wikipedia-Artikel zum Landkreis. Die dortige Liste der Landkreise in Deutschland ist anderer Meinung). In Holzminden mündet die Holzminde (deren wichtigstes Nebengewässer die Dürre Holzminde ist) in die Weser. Der Name des Ortes geht wohl auf eine alte germanische Bezeichnung für Bach zurück, menni. 832 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung, die sich jedoch auf den heutigen Stadtteil Altendorf bezieht. Die heutige Stadt wurde um 1200 durch die Grafen von Everstein gegründet. Das war eines der vielen Dutzend Adelsgeschlechter, das sein eigenes Territorium hatte. Belassen wir es dabei.
Als 1874 in Holzminden das künstliche Vanillinaroma erfunden wurde (die Duftstoffindustrie ist noch immer bedeutend), hatte die Stadt bereits seit neun Jahren Eisenbahnanschluss. Denn am 10. Oktober 1865 war die Strecke Kreiensen - Holzminden - Höxter dem Betrieb übergeben worden. Weiter über Ottbergen nach Altenbeken ging es schon seit dem 1. Oktober 1864. Grundlage für den Bau war ein 1861 geschlossener Staatsvertrag zwischen Preußen und Braunschweig. Die Lage des Bahnhofs ist nicht gerade zentral.
Am 15. Oktober 1876 wurde durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn (BME) die Strecke von Scherfede nach Holzminden eröffnet, damit war die Eisenbahn in Holzminden fertig. Die BME baute neben dem braunschweigischen ein eigenes Empfangsgebäude. Das wurde 1881 in Betrieb genommen, die BME bald darauf verstaatlicht. Wie oft, so sorgte auch in Holzminden die Eisenbahn für einen Aufschwung der Stadt, 1900 hatte die Stadt fast 10.000 Einwohner. 1865 waren es nur 5.300.
1926 hatte der Bahnhof, den in alle Richtungen zweigleisige Strecken verließen, „zwei Drehscheiben, 66 einfache Weichen, vier Kreuzungen sowie acht einfache und 19 doppelte Kreuzungsweichen” (Garrelt Riepelmeier, Die Strecke Scherfede-Holzminden. Hövelhof 2010, S. 115. Dem Buch entnehme ich auch die weiteren Angaben zur Geschichte). Ferner gab es fünf Stellwerke. Es fuhren nur wenige Fernzüge, und doch verzeichnet der Fahrplan 1939 Ziele wie Aachen, Berlin, Hannover und Neuekrug-Hahausen.
Nach dem Krieg (den der Bahnhof im Gegensatz zu den nahen Wohngebieten recht gut überstand) änderten sich die Verkehrsströme. Statt Ost-West war nun Nord-Süd die vorherrschende Richtung. 1965 beklagte die Lokalzeitung das Fehlen von Jubiläumsfeierlichkeiten. Im Folgejahr wurden die Gleisanlagen umgebaut, es blieben zwei der noch vier Stellwerke übrig (das fünfte war schon seit 1946 Geschichte). 1972 gab es Hoffnungen auf einen Aufschwung im Eisenbahnverkehr. Allerdings entschied sich die Bundesbahn mit Sitz irgendwo in der Ferne, ihre neue Bahnstrecke zwischen Hannover und Kassel nicht über Holzminden zu führen, stattdessen bekam eine Universitätsstadt irgendwo hinterm Solling Anschluß.
Am 2. Juni 1984 endete auf der schon länger nur noch eingleisigen Strecke nach Scherfede der Reiseverkehr. Zum 1. November 1997 wurde der Großteil der Strecke offiziell stillgelegt, der kurze Restabschnitt im Süden folgte zum 1. Mai 2003. Und auch für die Strecke Altenbeken - Kreiensen ging es bergab. Berichte über eine mögliche Einstellung des Reiseverkehrs zwischen Holzminden und Kreiensen wurden durch die DB dementiert. Sie mußte aber einräumen, daß die weitere Rationalisierungen plante. Mittlerweile ist der Abschnitt Ottbergen - Kreiensen mit Ausnahme von Stadtoldendorf - Vorwohle nur noch eingleisig, hierdurch ist beim derzeitigen Fahrplanschema ein Stundentakt zwischen Holzminden und Kreiensen nicht möglich. Ab September 1993 wurde der Zugverkehr durch den Einsatz der Baureihe 628 attraktiver. Von Dezember 2003 bis Dezember 2013 erfolgte eine Brechung des Verkehrs in Holizminden, da zwischen dort und Paderborn die Nordwestbahn verkehrte. Seitdem fährt sie auch zwischen Holzminden und Kreiensen, so daß der Umstieg wieder entfallen konnte.
Am 19. Oktober 2008 wurde in Holzminden neue Stellwerkstechnik in Betrieb genommen. Die Stellwerke „Hwf” von 1912 und „Ho” sind seitdem außer Betrieb, sie stehen aber noch. In diesem Zusammenhang tauschten auch die Gleise 1 und 3 ihre Lage. Die Stellwerke, die Empfangsgebäude (das erste diente nur elf Jahre als solches) und zwei Lokschuppen erinnern noch heute an die Zeit, als Holzminden ein Eisenbahnknotenpunkt war, der vielen Menschen Arbeit gab. Für den heutigen Betrieb ist er hoffnungslos überdimensioniert, der Güterbahnhof war am Besuchstag komplett leer. Von Paderborn - Altenbeken - Ottbergen kommt stündlich die Nordwestbahn mit ihren Talenten, zweistündlich mit Verstärkern geht es weiter nach Kreiensen. Die vierunddreißigminütige Reise dorthin wird durch einen Zwischenhalt in Stadtoldendorf unterbrochen.
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Es geht gleich weiter. Ich habe mal wieder zu viel geschrieben. Da bin ich aber nicht der einzige hier im Forum.